Weiße Lilien im Fenster meines Großvaters.
Der Fluß der Zeit rief mich zurück (gestern) an den Ort, den man leicht übersieht (weil er nur stört). Ein langes Gespräch mit meiner Mutter über Vorahnungen und Vorfahren, über Menschen, über jene die ich nie kennenlernte und jene, die meine Mutter noch kennenlernen möchte. Die Zeit stand still in den wenigen Straßen dieses Dorfes. Alles schlich, was sich bewegte; alles flüsterte, was sprach.
Am nächsten Morgen (heute) ein Besuch meinerseits bei diesem 50 Jahre älteren, mir doch so vertrauten Mann. Gesenkten Hauptes die Straßen durchquert, die mir bekannt waren. Waren; nicht sind. Fragen, die einem in den Sinn kamen: Wünscht man herzliches Beileid, wenn man selbst Trauernder ist? Was sagt man in einer solchen Situation, wenn einem selbst doch die Worte fehlen? Aber leidete er nicht so unendlich viel mehr als ich?
Alles ergab sich von selbst, binnen Sekunden lagen sich zwei Männer unterschiedlicher Generationen mit Tränen in den Augen im Arm. In Trauer vereint. Ein Gespräch über das war war (viele Jahre vor meiner Geburt), über das war war (nach meiner Geburt) und über das, was war (in den letzten Wochen und Monaten). Sämtliche Erfolge der letzten Wochen meinerseits erschienen nicht mehr erwähnenswert.
Ein Blick durchs Zimmer und für einen Moment schien es mir wie ein dummer Irrtum: Alles sah aus wie immer, wie das letzte Mal vor wenigen Monaten, als ich hier war. Nichts schien sich verändert zu haben, es musste ein Fehler vorliegen. Gleich würde sie durch die Tür kommen, - vielleicht war sie auf Toilette oder im Garten oder Einkaufen - auf mich zugehen und mich begrüßen. Doch der kalte Schauer der Einsicht traf mich, hart und schwer: Die Tür ging nicht auf. Sie konnte schon lange nicht mehr gehen. Sie war seit Jahren nicht mehr einkaufen und im Garten. All das übernahm schon lange der Mann, der mir gegenüber saß. Und als hätte er meine Gedanken gelesen oder meinen hoffnungsvollen Blick zur Tür gesehen, schüttelte er mit dem Kopf. Und da fielen sie mir auf, die unerbittlichen Wächter der Zeit; Kalender und Uhr. Das Kalenderblatt wurde seit dem 23. nicht mehr abgerissen, sogar festgeklebt. Eine der Uhren stand auf kurz nach vier. Ein kalter Schauer machte sich zwischen meinen Schulterblättern breit.
Eine halbe Stunde später machten wir uns auf den Weg. Als ich durch das hölzerne Tor schritt, wurde mir bitterlich bewusst, dass ich hier seit vielen, vielen Jahren nicht mehr war. Und dass ich bis jetzt zum ersten Mal ohne sie hierhin kam: Früher (ich muss im Grundschul- / Orientierungsstufenalter gewesen sein), kam ich regelmäßig mit ihr hierher. Wir (sie!) kümmerten uns um das Grab einer Person, die ich nie kennengelernt hatte.
Und dennoch war sie hier: Sie wartete, nur wenige Schritte voraus, in unerbittlicher Ruhe, und harrte unserer Ankunft. Ein viel zu kleiner Raum, eine handvoll viel zu kleiner Menschen und eine viel zu große Holzkiste. Ohnmacht und Unmacht gaben sich die Hand. Konfuse Gedanken - Abwehrreaktionen und Verdrängungsstrategien! - schossen einem durch den Kopf: "Ein unschöner Raum, als wolle er dieses Dorf repräsentieren." Und mir wurde klar: Hier möchte ich nicht - nie! - landen. Nicht auf diesem Feld in diesem Ort.
An manchen Tagen hat die Sonne einfach kein Recht, zu scheinen.
Am nächsten Morgen (heute) ein Besuch meinerseits bei diesem 50 Jahre älteren, mir doch so vertrauten Mann. Gesenkten Hauptes die Straßen durchquert, die mir bekannt waren. Waren; nicht sind. Fragen, die einem in den Sinn kamen: Wünscht man herzliches Beileid, wenn man selbst Trauernder ist? Was sagt man in einer solchen Situation, wenn einem selbst doch die Worte fehlen? Aber leidete er nicht so unendlich viel mehr als ich?
Alles ergab sich von selbst, binnen Sekunden lagen sich zwei Männer unterschiedlicher Generationen mit Tränen in den Augen im Arm. In Trauer vereint. Ein Gespräch über das war war (viele Jahre vor meiner Geburt), über das war war (nach meiner Geburt) und über das, was war (in den letzten Wochen und Monaten). Sämtliche Erfolge der letzten Wochen meinerseits erschienen nicht mehr erwähnenswert.
Ein Blick durchs Zimmer und für einen Moment schien es mir wie ein dummer Irrtum: Alles sah aus wie immer, wie das letzte Mal vor wenigen Monaten, als ich hier war. Nichts schien sich verändert zu haben, es musste ein Fehler vorliegen. Gleich würde sie durch die Tür kommen, - vielleicht war sie auf Toilette oder im Garten oder Einkaufen - auf mich zugehen und mich begrüßen. Doch der kalte Schauer der Einsicht traf mich, hart und schwer: Die Tür ging nicht auf. Sie konnte schon lange nicht mehr gehen. Sie war seit Jahren nicht mehr einkaufen und im Garten. All das übernahm schon lange der Mann, der mir gegenüber saß. Und als hätte er meine Gedanken gelesen oder meinen hoffnungsvollen Blick zur Tür gesehen, schüttelte er mit dem Kopf. Und da fielen sie mir auf, die unerbittlichen Wächter der Zeit; Kalender und Uhr. Das Kalenderblatt wurde seit dem 23. nicht mehr abgerissen, sogar festgeklebt. Eine der Uhren stand auf kurz nach vier. Ein kalter Schauer machte sich zwischen meinen Schulterblättern breit.
Eine halbe Stunde später machten wir uns auf den Weg. Als ich durch das hölzerne Tor schritt, wurde mir bitterlich bewusst, dass ich hier seit vielen, vielen Jahren nicht mehr war. Und dass ich bis jetzt zum ersten Mal ohne sie hierhin kam: Früher (ich muss im Grundschul- / Orientierungsstufenalter gewesen sein), kam ich regelmäßig mit ihr hierher. Wir (sie!) kümmerten uns um das Grab einer Person, die ich nie kennengelernt hatte.
Und dennoch war sie hier: Sie wartete, nur wenige Schritte voraus, in unerbittlicher Ruhe, und harrte unserer Ankunft. Ein viel zu kleiner Raum, eine handvoll viel zu kleiner Menschen und eine viel zu große Holzkiste. Ohnmacht und Unmacht gaben sich die Hand. Konfuse Gedanken - Abwehrreaktionen und Verdrängungsstrategien! - schossen einem durch den Kopf: "Ein unschöner Raum, als wolle er dieses Dorf repräsentieren." Und mir wurde klar: Hier möchte ich nicht - nie! - landen. Nicht auf diesem Feld in diesem Ort.
An manchen Tagen hat die Sonne einfach kein Recht, zu scheinen.
Beko - 27. Jul, 23:14 - in Rubrik: Gedankensudelei
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