Samstag, 7. Januar 2006

"Vielleicht denkt sich hier noch irgendjemand etwas aus..."

"...bis dahin: Alles Gute!"

Heimatdorf: Der Versuch einer Vergangenheitsbewältigung II

Ich sehe, wie kleine Straßen zur Dorfmitte hin immer kleiner werden. Ich sehe, wie dunkle Ecken dunkler, aber nicht anziehender werden. Ich spüre, wie der kalte Wind kälter wird. Rieche, wie der Geruch der Verwesung beißender wird.
Wenn ich, wie so oft, von Goslar zu Fuß nach Astfeld gehe (diese vier Kilometer - gelacht!), weil ich zu geizig für die Buskohle bin oder grade einfach kein Bus fährt, dann gehe ich (da die Strecke eigentlich nur geradeaus führt) immer weiter auf diese verlockenden Lichter meiner Jugend zu. Bitter wird's, wenn man das Dorf betritt. "Kein Mensch auf der Straße um 20:30 - dass das nicht das Leben ist, glaub mir, das weiß ich!" (- But Alive, "Es sei denn, du bist Snake Plissken")
Man geht durch leergefegte Straßen, keine Motorengeräusche, keine Lichter hinter Fenstern, ab und an ein paar einsam flackernde Fernseher und dann wieder ein Auto, dass die leergefegten Straßen zum Rasen ausnutzt. Menschen leben ihr Leben alleine hinter milchigem Glas, zwischen Fernseher und Kühlschrank. Dorfiydlle? Nightmare called life. Was hat uns nur so ruiniert? Wenn ich durch diese Straßen gehe, muss ich an die erste Bad Religion-Platte denken: "How could hell be any worse?"
Der Jägerzaun wird gepflegt, und selbst die Bushaltestellen sind weiß und ohne Grafitis. Was ist aus den Kids geworden, die die Straßen dieses Dorfes bevölkerten? Die erst bei Einbruch der Dämmerung rauskamen und sich trafen? Imprisoned by Playstation? Aber auf die kids und Jugendlichen werde ich in einem seperaten "Artikel" eingehen. Die Sterilität eines Dorfes wie Astfeld hält einen gefangen. Einmal hier drin kommst du nie wieder raus - es sei denn, du bist Snake Plissken. Die einzigen Lebenszeichen erblickte ich nach 20 Uhr lediglich in der Pizzeria. Dort saß sie, die Bevölkerung des Dorfes, von Dummheit bis Dorfprominenz. Menschen, die Blusen und ihren Schmuck zur Schau tragen, Menschen, die unter ihren Pullundern Hemden tragen. Der Scheitel akurat, das Grinsen aufgesetzt. Und auf der anderen Seite das deutsche Dummvolk. Den Geist im Glas, den Verstand für 'ne Buddel Korn verkauft. Und dass Fremde sowieso nicht hierhergehören, das erfährt man spätestens hier. In der Pizzeria (die die weltbesten Pizzen macht, übrigens) trifft sich der Deutsche von Welt Dorf.
Was ist aus den Menschen meines Alters geworden, die den Ausbruch nicht geschafft hatten? Fahren sie immer noch auf dem Trecker durch die Gegend, tunen sie immer noch ihren Golf 3 und stellen die Bilder stolz in's Internet?

"Wer zur Hölle seid ihr und was seid ihr offensichtlich nicht?"

Die Hauptstraße ist einfach nur leer, nicht mal Anwohner fahren hier rum. Man kann bekifft auf der Straße liegen und die Sterne über seinem Dorf zählen - wenn es jemanden hier interessieren würde, wieviele Sterne es sind.

Es ist kalt in diesem Dorf, hier an der B82, hier zwischen Langelsheim und Goslar. Diese gepanzerten Herzen kreisen dich ein. Und ich gehe durch die Straßen, Musik in den Ohren, und ich kenne die Stellen, an denen Sachen geschahen. Ich kenne die Gerüche und ich kenn' die Gegenstände und ich kann spüren, wie sie die Form verlieren.
Und eine einsame Träne tropft auf den kalten Asphalt, doch keiner ist da, der sie fallen hört.


Butzzze - 8. Jan, 01:45

ist es so schlimm?

Ja, Beko... Unser Dorf, Astfeld..
Früher gehörte es uns, wir machten die Nächte unsicher, wir waren Dorf-bekannt, wir lebten in dieser "Idylle". Und wir fanden es gar nicht so schlecht, damals.
Aber der einzige Grund dafür war, dass wir nichts anderes kannten. Doch uns gelang der Ausbruch aus der Tristheit, wir erkannten, dass es da draußen eine Welt gibt, die auf uns wartet und die nicht nur aus Vereinsleben und einem schrecklichen Schützenfest besteht.
Die wenigen von uns, die hier nicht mehr rechtzeitig rausgekommen sind, werden es nie wieder schaffen. Doch auch wenn es hart klingen mag: Ich habe kein Mitleid mit ihnen. Sie haben sich selbst die Zukunft verbaut.
Und was die Jugend angeht: Man kann nur hoffen, dass sie es wie wir aus dieser Einöde herausschaffen.

Gruß vom alten Kumpel, Weggefährten und Vandalismus-Komplizen ;)
Butzzze

seven - 9. Jan, 19:11

wirklich schöner artikel!

da möchte man einfach mal danke sagen und dich wissen lassen, dass du nicht allein bist. auch wenn es hier teilweise anders ist, bin ich doch froh, bald hier weg zu sein! das abitur wird quasi mein ticket in die freiheit. :)

Sly (Gast) - 9. Jan, 23:06

In jedem kleinen NEst, vorallem in denen wo die alten LEute überwiegen ist jeder der nicht ins BIld passt sofort als Aussetziger zu behandeln.
Mittagsruhe ist einzuhalten und spätestens ab 22 Uhr ist schicht im Schacht auf der STarße. Ist ja eh nichts los und die nächste gute Adresse ist KM weit weg. >toll wenn man noch nicht motorisiert ist. :nerv:
Dazu kommt noch das Anhängsel Religion was am schlimmsten ist.
Ich kenn es auch nur zu gut. ICh hasse Dörfer und kleine NEster. Von einem weggezogen kamen wir immer nur in einem anderen an. > Stell dir das alles mal drüben vor wo selbst nach dem MAuerfall noch stellenweise am ehemaligen Manifest festgehalten wurde.
Jetzt geht es teilweise aber alles was davor war kommt deiner Beschreibung schon sehr nah.

Nie wieder zieh ich in so kleine NEster wie Gröna, Zoll, Aschersleben, Huchzen usw. ... Sowas bringt einen echt zum Knochenkotzen.

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