Sonntag, 27. August 2006

Dies ist ein Wald wie jeder andere - oder?

Kleine Äste zerbarsten knackend unter meinen Schritten. Das grüne Gras wiegte im Wind. Langsam schritt ich durch das immergrüne Unterholz, die Gegend betrachtend. Warme Luft füllte meine Lungen und meine Nase. Sie roch einzigartig. Sensibel, frisch, unberührt. Jungfräulich. Die Stille war nahezu bezaubernd, als ich plötzlich gleichmäßige Geräusche vernahm: Das Geräusch galoppierender Pferde.
Meine Augen suchten die Gegend ab und in Windeseile sprang ich hinter den nächsten Baum am Rande der Lichtung. Im Schatten und Schutz dieser alten, knochigen Eiche kletterte ich an ihr empor, hangelte ich mich von Ast zu Ast. Elf Fuß über dem Boden drückte ich mich in das Blätterwerk und harrte dem, was kommen mochte. Zwei berittene Männer kamen den Waldweg entlang; sie waren in grüne Wämser gekleidet und einer trug eine Feder am Hut. Es schien, als wären sie Jäger.

Genau unter dem Baum, in dessen Geäst ich mich verkrampft festhielt, stoppten sie ihre Pferde. Der ältere strich sich sein schwarzes Haar aus dem Gesicht und deutete dem jüngeren, still zu sein. "Ich fühle mich seltsam in diesem Wald. Tiere in einem Einhorn-Wald lernen mit der Zeit alle selbst ein wenig zaubern; vor allem was das Verschwinden betrifft."
Ungläubig starrte der jüngere Jäger den älteren an: "Einhörner? Ich dachte die gibt es nur in Märchen. Dies ist ein Wald, wie jeder andere - oder?"
Ein leichtes Lächeln huschte über das wie aus Stein gemeißelte Gesicht des älteren Jägers. Er wandte sich seiner Begleitung zu und schaute ihn schweigend an. Nach einer kurzen Pause sprach er: "Und warum sieht man dann hier nie die Blätter fallen, oder Schnee? Warum ist immer Frühling hier? Ich sage dir, ein Einhorn gibt es noch auf der Welt, und solange es in diesem Wald lebt, finden wir hier kein Wild zum Jagen."
Der jüngere schaute sich ungläubig um, sein Blick schien verzweifelt Ungereimtheiten zu suchen. Das rote Haar wehte im Wind, der langsam aufzog. Resigniert zog er die Schultern hoch und sprach, fast schon flüsternd: "Laß uns umkehren.", und während er an den Zügeln seines braunen Pferdes zog, fügte er hinzu: "Jagen wir woanders."

Die Adern an meinen Armen traten hervor und die Finger schmerzten vom krampfhaften Festhalten, als die Jäger mit ihren Pferden umdrehten und in die Richtung, aus der sie kamen, zurückritten. Plötzlich hörte ich auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung ein Rascheln im Unterholz. Ich blickte hinüber und entdeckte die Schemen einer Kreatur. Ich kniff die Augen zusammen, um jene Kreatur besser zu erkennen. Die Augen tränten und ich erkannte in den Schemen ein Pferd. Ein weißes Pferd mit einem Horn auf der Stirn.

Die Jäger hatten mittlerweile den Waldesrand erreicht und hielten dort noch einmal inne. Der ältere der beiden blickte zurück und starrte stumm auf die Lichtung. Dann rief er: "Bleib wo Du bist, armes Geschöpf! Dies ist keine Welt für Dich. Bleib in Deinem Wald und halte Deine Bäume grün und beschütze Deine Freunde. Und viel Glück, denn Du bist das Letzte." Noch bevor seine Worte im Echo der Bäume verklangen, setzten die beiden Jäger ihre Pferde in Bewegung und ritten davon. Eine kurze Zeit war noch das gleichmäßige Geräusch der Hufen zu hören, bis sich letztendlich wieder die Stille über den Wald legte, einem dunklen schweren Tuch ähnelnd.
Ich schaute hinüber, auf die andere Seite der Lichtung. Noch immer stand das weiße Pferd dort, es hielt seinen Kopf gesenkt. In seinen Augen glaubte ich, tiefe Trauer zu erkennen.


Lone - 31. Aug, 21:29

Keine Kommentare? Wat'n hier los?
Meines Erachtens nach einer deiner besten Beiträge. :)

Beko - 1. Sep, 14:37

Ich war auch enttäucht... aber vielleicht gehören wir zu den wenigen letzten phantasievollen Menschen, die bemerken, auf was ich hier anspiele. ;)
m. (Gast) - 23. Okt, 10:43

wunderbar...meine kindheit!zum weinen und zum träumen!
ich wünschte ich wäre einer der menschen,die ein einhorn erkennen können...

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