Mittwoch, 9. August 2006

So alt wie nötig. So jung wie möglich.

Die Befürchtung schlief wie ein Vulkan.
Mitten in der Nacht wurde ich wach, weil ich mal wieder nichts gehört hatte. Langsam stieg ich aus dem Bett, die Hände tasteten im Dunkel nach der Taschenlampe. Hätte ich das Licht angemacht, so hätten sie sich - sollten sie tatsächlich noch existent sein - verkrümelt, bevor mein Auge sie erblicken könnte. So stand ich da, mitten im dunklen Zimmer, die Taschenlampe in der Hand festkrallend, mich zu allen Seiten umsehend. Ein einsames Auto fuhr draußen auf der Straße vor meinem Haus vorbei. Die Schatten, die es in meinem Zimmer hinterließ, wirkten weder komisch noch gespentisch oder seltsam. Ich kniete mich vors Bett - keine Augen blitzten mich an. Ich machte schnell die Taschenlampe an, doch es war kein Monster zu sehen.
Resigniert stand ich auf und ging zum Lichtschalter. Ein Blick durch den um drei Uhr morgens künstlich erhellten Raum: Nichts sonderbares zu erklicken. Ich öffnete den Kleiderschrank, um zu schauen, ob der Drache mit dem Husten noch da ist, den ich seit Jahren vermisste. Doch auch im Schrank herrschte nur gähnende Leere bzw penible Ordentlichkeit. Ich durchwühlte das ganze Zimmer nach Feen und Elfen, Hexen und Zwergen, Dinosauriern und Außerirdischen, doch ich fand: Nichts. Als ich aufgab, fiel mir ein zusammengerollter Zettel in die Hände. Ich hoffte auf eine Schatzkarte und rollte das Papier mit zitternden Händen aus. Meine Blicke folgten den Buchstaben, und nach den Blicken kam die Enttäuschung: Es war keine Schatzkarte, nein, es war nur ein einziger Satz darauf zu lesen:
Du bist alt geworden.

Gestern Abend, beim Aufräumen, fand ich ein altes Buch. Der Schutzumschlag war schon abgenutzt, und auch die Seiten wirken abgegriffen und waren teilweise eingerissen. Ich pustete den Staub weg, der in einer dichten Wolke zu allen Seiten stob. Ich fuhr über diese alten Seiten und Erinnerungen kämpften sich durch das Dickicht meines Gedächtnisses, um dann in Form salziger Tropfen aus meinen Augen heraus die Wangen herabzulaufen. Ich holte tief Luft und war bereit für den Kampf und den Krieg; die Schlacht, die ich mit den Helden dieser Seiten bereits vor vielen Jahren schon vielfach gewann.
Die Zeit schwamm vorbei und die Gestirne folgten ihrem Lauf: Der Mond löste die Sonne ab, und mit ihm kamen die Sterne. Ich lag in meinem Bett, die Bettdecke über den Kopf gezogen, die Taschenlampe in der Hand auf die Seiten gerichtet. Die Augen folgten den Lettern, die sich in meinem Kopf zu Wörtern, Sätzen, Geschichten formten. Plötzlich hielt ich inne: ein Geräusch! Was mag das gewesen sein? Hoffentlich nicht Mama, ich darf um diese Uhrzeit nicht mehr lesen. Doch dann wurde mir bewusst, dass ich seit nunmehr vier Jahren nicht mehr bei meinen Eltern wohne. Die Erkenntnis ließ mich schmunzeln.
Ich gab mich wieder den Seiten hin, tauchte in die Druckerschwärze, nahm das Schwert in die Hand und folgte den tapferen Recken. Stunden wurden zu Minuten und die Zeit an sich ein Meer, in das die Minuten wie ein Wasserfall hineinrauschten. Mit dem letzten Satz fing mein Herz an, wieder langsamer zu schlagen. Ich grinste und schlug die Decke zur Seite, um das Buch wegzulegen. "Sicher ist es schon sehr spät", dachte ich mir, "ich sollte längst schlafen". Als ich noch einmal zum Schrank ging, um mir für den nächsten Tag Sachen zurechtzulegen, kamen mir plötzlich Schimpftiraden entgegen.

"Eine Frechheit!" fauchte es aus dem Schrank. "Mich zu dieser unchristlichen Zeit zu wecken! Auch ich habe meinen Schlaf verdient!" Ich wollte meinen Augen nicht glauben, doch wie zum Beweis hustete es aus dem Schrank heraus: Dort saß, zwischen meinen Pullovern und den Inlinern, zwischen e-Gitarrenverstärker und T-Shirts der hustenden Drache. Wir blickten uns lange in die Augen. Er schmunzelte und ich wusste, er könnte mir nie böse sein. Wir fielen uns in die Arme. Alte Liebe rostet nicht.
Ich machte das Licht an und traute meinen Augen nicht. Dort oben, auf dem Schrank, saßen sie, in Reih und Glied: Die Feen, die Elfen, die Gespenster und alle winkten mir zu. Selbst die Monster unter dem Bett waren da, es hab ein großes Hallo. Man lag sich in den Armen, man lachte und tanzte; auch so manche Träne wurde aus dem Augenwinkel gewischt. Dann kam ich endlich zu der Gelegenheit, diese Fragen zu stellen, die mir so lange unter den Nägeln brannten: "Wo wart ihr? Warum seid ihr gegangen? Was ist passiert?"
"Wir sind nie gegangen", sprach das Monster, das immer noch unter dem Bett kauerte, "Du bist nur blind gewesen."
"Ja!" rief daraufhin ein Troll, der es sich in meinem Bettwäschestapel gemütlich gemacht hatte. "Wir haben Dich so oft gerufen, an Deiner Kleidung gezerrt und Dir in die Nase gezwickt, doch Du schienst uns zu ignorieren. Die meisten von uns waren nie weggewesen."
"Ja, die meisten von uns", fügte eine Elfe beteuernd hinzu, "aber nicht alle. Manche von uns sind wirklich gegangen. Was sollten wir tun? Die Ordnung in Deinem Kopf hätte uns krank gemacht, diese Aktenschränke, Schubladen, Sortierungen sind nicht unsere Welt."

Mit Tränen in den Augen gelobte ich Besserung, und die warmen Körper meiner Freunde, ihre Umarmungen und Küsse auf der Stirn zeigten mir, dass sie mir verziehen.


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